Konzepte und Strategien
Die Universitätsmedizin verfolgt den Weg zum Green Hospital als logische Konsequenz und Weiterentwicklung der Smart-Hospital-Strategie. Dafür wurden 2021 Strukturen etabliert und Projekte angestoßen, die gesellschaftliche Verantwortung zeigen und auch auf die Reputation der Kliniken als Arbeitgeber einzahlen. Standortübergreifende Kommunikation und Projektarbeit sind wesentliche Motoren, um zeitnah Erfolge zu erzielen.
Was macht eigentlich
eine Nachhaltigkeitsbeauftragte?
Stefanie Schulze-Schleithoff im Gespräch
Den Müll richtig trennen, auf Produkte in Plastikverpackungen verzichten, das Auto mal stehen lassen: Wie Nachhaltigkeit privat funktioniert, wissen viele. Aber was kann ein medizinischer Betrieb für die Umwelt tun? Die Universitätsmedizin hat 130 Nachhaltigkeitsbeauftragte berufen mitzuhelfen, das „Unternehmen“ Unimedizin umweltfreundlicher zu gestalten. Ein Gespräch mit Stefanie Schulze-Schleithoff, Nachhaltigkeitsbeauftragte und Standortsprecherin am WPE.
Nachhaltigkeit in Zahlen
Maßnahmen, möglichst sparsam mit dem Verbrauch von Strom und Wasser umzugehen und Bestandsgebäude nach und nach technisch zu ertüchtigen, verfolgt die Universitätsmedizin Essen bereits seit vielen Jahren. Seit 2020 werden alle Aktivitäten strategisch verknüpft und neue Maßnahmen eingeführt. Inzwischen sind vier Prozent der Dachflächen aller Gebäude am Universitätsklinikum begrünt, weitere werden in den kommenden Jahren folgen. Obwohl die Nutzfläche des Universitätsklinikums immer weiter gewachsen ist, wurde der Stromverbrauch insgesamt kontinuierlich geringer.
Der Anteil an recyceltem Kopierpapier erhöhte sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr erheblich – deutlicher Effekt des neu eingeführten Nachhaltigkeitsmanagements: Das Universitätsklinikum Essen verbraucht jährlich rund 25 Millionen Seiten DIN A 4 Kopier- und Druckpapier, das entspricht einer Rasenfläche so groß wie 218 Fußballfelder. Waren es 2020 noch rund 3,5 „Fußballfelder“, die mit Recyclingpapier hätten bedeckt werden können, so waren es 2021 bereits 16.
Wasserverbrauch
Der Wasserverbrauch am Universitätsklinikum konnte seit 2012 bis 2021 kontinuierlich von 318.384 m3 auf 116.735 m3 verringert werden. Ein besonders starker Rückgang ist von 2017 auf 2018 zu beobachten. Ursächlich hierfür war neben anderen Maßnahmen der Umbau der Kühltürme.
Fernwärme
Die Schwankungen beim Fernwärmeverbrauch sind stark abhängig vom Klima und den Außentemperaturen, wie die Grafik zeigt. Im Krankenhausbereich lässt sich eine gesteuerte Temperatursenkung nicht durchsetzen, ohne das Wohl der Patienten zu beeinflussen.
Niederschlagswasser
Um die öffentlichen Abwasserkanäle und -anlagen bei Regenfällen zu entlasten und bei Starkregen Über- und Rückstauerscheinungen zu vermeiden, arbeitet die Universitätsmedizin an einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Dazu gehört auch, Versickerungsflächen zu schaffen. Beim Niederschlagswasser sind seit 2012 bis zu 26 % der Flächen von der Zuführung ins Kanalisationssystem abgekoppelt worden.
Nachhaltigkeit ist Teamarbeit
Das Thema Green Hospital ist komplex, die Fäden aus allen Bereichen laufen bei Tobias Emler, Umweltmanager in der Stabsstelle Medizinische Planung und Strategische Unternehmensentwicklung, zusammen. In enger Kooperation mit 14 Stakeholdern an den verschiedenen Standorten der Universitätsmedizin und aus allen Bereichen von der Energiezentrale über die Pflege bis zur Forschung gestaltet er den Prozess und bildet das „Team Green“. 130 Nachhaltigkeitsbeauftragte aus allen Bereichen der Universitätsmedizin liefern regelmäßig Ideen an das Team Green, wirken als Multiplikatoren in ihren Teams und unterstützen die Umsetzung von Projekten vor Ort.
Gemeinsam eine Verbesserung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte anzugehen, um den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage zu sichern – das ist mir wichtig. In meiner Funktion als Klimamanager versuche ich, nachhaltiges Denken und Handeln zur gelebten Unternehmenskultur zu entwickeln.
Ich möchte eine Reihe von zielführenden, tatsächlich ressourcensparenden und messbaren Maßnahmen etablieren. Voraussetzung dafür ist eine Mentalität, die über eine Veränderung des Bewusstseins zu einer Veränderung des Verhaltens führt. Durch intensive Kommunikation innerhalb des Unternehmens kann dies gelingen.
Wir sind bestrebt, alle Ressourcen in den Bereichen Wirtschaftsbetriebe, Logistik und Reinigungsdienste verantwortungsbewusst und gezielt einzusetzen. Vorschläge und Ideen der Mitarbeitenden geben uns dabei wichtigen Input.
Wir müssen achtsam mit Ressourcen umgehen – mit Arbeitsmitteln ebenso wie mit personellen Ressourcen. Und kontinuierlich die Vereinbarkeit von ökologischen mit sozialen und ökonomischen Aspekten unserer Tätigkeit hinterfragen. Effizientere Arbeitsabläufe entlasten die Mitarbeitenden, sodass mehr Zeit für empathische Medizin bleibt. Der Mensch – Mitarbeitende ebenso wie Patienten – sollte stets im Mittelpunkt stehen.
Das Nachhaltigkeitsmanagement ist für mich ein essenzielles Instrument, um unseren Ressourcenverbrauch im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit zu analysieren. Auch in unserem Bereich konnten bereits wertvolle Ressourcen eingespart werden, weil wir inzwischen nahezu alle Prozesse erfolgreich digitalisiert haben.
Ich helfe, die Ideen aus dem Team Green in die einzelnen Abteilungen zu tragen, um für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Werden Prozesse smarter gestaltet, können wertvolle Ressourcen eingespart werden – davon bin ich überzeugt.
Ich möchte Einfluss nehmen auf die Schmeiß-weg-kauf-neu-Einstellung. Überzeugen können dabei intelligente Konzepte, die nicht ausschließlich auf Verzicht basieren, wie zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft.
Mein Wunsch ist es, dass nachfolgende Generationen mindestens genauso gut wie wir leben können. Deshalb treibe ich im Team Green die Netzwerk-, Fort- und Weiterbildung voran. Eine große Aufgabe kann nur von einem starken Team bewältigt werden.
Entscheidungen so zu treffen, dass diese den Interessen zukünftiger Generationen nicht widersprechen, das ist für mich Nachhaltigkeitsmanagement. Ich möchte die Sensibilität für das Thema bei allen Kolleginnen und Kollegen erhöhen – sowohl bei alltäglichen Dingen, als auch durch einzelne Projekte.
Nachhaltigkeitsmanagement ist für mich die gemeinsame Rücksichtnahme auf die Umwelt, aber auch aller Mitarbeitenden aufeinander – ein Prozess des permanenten „Daraufhin-Arbeitens“ in den unterschiedlichsten Bereichen.
Ich mache Werbung für vernünftiges Mülltrennen und Recycling am Arbeitsplatz – bei allen Mitarbeitenden. Denn wir sind nur dann erfolgreich, wenn jeder Einzelne in seinem Bereich den Nachhaltigkeitsgedanken aufrecht erhält.
Was bedeutet Nachhaltigkeit? Aufgaben heute so zu erfüllen, dass sie auch morgen noch richtig und vertretbar sind! Dazu gehört für mich, technische und bauliche Erfordernisse, Notwendigkeiten, Restriktionen und Zusammenhänge im Rahmen der Nachhaltigkeitsinitiative allgemeinverständlich und nachvollziehbar einzubringen.
Häufig sind es Kleinigkeiten, die große Veränderungen bewirken können. In den Stabsstellen versuchen wir zum Beispiel weitestgehend auf Papier zu verzichten. In der Digitalisierung aller Krankenhausbereiche sehe ich eine große Chance. Auf allen Ebenen engagiere ich mich für die Integration umweltbewusster, ressourcenschonender und möglichst klimaneutraler Prozesse in unsere bestehenden Unternehmensabläufe.
Wenn wir gemeinsam mit den Mitarbeitenden Indikatoren für die Nachhaltigkeitsberichterstattung festlegen, Führungskräfte auf Nachhaltigkeit verpflichten und die Einführung eines Nachhaltigkeits-Impact-Assessment angehen, können wir viel erreichen. Im Arbeitsalltag geht es um „green office“, Mülltrennung, faire Produkte und den Einsatz von Diensträdern.
Ich erwarte, dass die Initiative Green Hospital die Universitätsmedizin Essen konsequent zur Umwelt- und Klimafreundlichkeit führt. Wir erreichen dies durch Information, Überzeugung und Beharrlichkeit. Konkret planen wir Bepflanzungen, Dachbegrünungen und eine umweltfreundliche Abfallentsorgung.
Nachhaltigkeit erfordert Kommunikation
Seit 2015 arbeitet die Universitätsmedizin Essen intensiv daran, Prozesse zu digitalisieren, um Versorgung, Forschung und Administration effizienter zu gestalten und den Menschen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen. Der Weg zum Smart Hospital ist eingeleitet, die Universitätsmedizin Essen hat ein klares Bild vom „Krankenhaus der Zukunft.“ Dazu gehört auch, den Spagat zwischen Spitzenmedizin mit hohem Technisierungsgrad und ökologischer Nachhaltigkeit im Krankenhauswesen zu bewältigen. Bereits 2020 hat der Vorstand Tobias Emler zum Nachhaltigkeitsmanager berufen.
In 2021 wurden Prozesse etabliert, um möglichst alle Mitarbeitenden für nachhaltiges Handeln zu sensibilisieren, Nachhaltigkeitspotenziale aufzudecken und konkrete Projekte unbürokratisch und zeitnah anzustoßen. Den regelmäßigen Austausch flankieren gezielte Fortbildungsangebote, Ideen initiieren Projekte, ein angestrebtes Audit und die Vorbereitung auf eine Zertifizierungsverfahren professionalisieren die Maßnahmen.
„Green Hospital“: Führende Köpfe der Universitätsmedizin Essen geben Buch heraus
Im Rahmen einer digitalen Veranstaltung hat die Universitätsmedizin Essen gemeinsam mit dem MWV Medizinisch Wissenschaftlichen Verlag am 10. Mai 2022 eine neue Publikation zum Thema „Green Hospital“ vorgestellt. Das umfassende Kompendium widmet sich erstmals umfassend dem Themenfeld Medizin und Nachhaltigkeit. Prof. Dr. Jochen A. Werner (Ärztlicher Direktor), Thorsten Kaatze (Kaufmännischer Direktor) und Andrea Schmidt-Rumposch (Pflegedirektorin) haben als Vorstände der Universitätsmedizin Essen dieses immer drängender werdende Thema aufgegriffen und von allen Seiten analysiert. Das Buch beschreibt nicht nur die Herausforderungen, sondern liefert vor allem konkrete Lösungsvorschläge.
Zu Wort kommen neben den Herausgeberinnen und Herausgebern zahlreiche namhafte Autoren, so etwa der bekannte Klimaforscher Prof. Mojib Latif oder Dr. Eckart von Hirschhausen. Alle eint die Überzeugung, dass Thema Klimaschutz fest im Selbstverständnis und der operativen Arbeit der Gesundheitswirtschaft zu verankern.
Green Hospital – Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung im Krankenhaus.
- Mit einem Geleitwort von Eckart v. Hirschhausen
- Herausgeber: Jochen A. Werner, Thorsten Kaatze, Andrea Schmidt-Rumposch
- erschienen im MWV Medizinisch Wissenschaftlichen Verlag | 05/2022
- ISBN-13: 9783954666799
- Umfang: 292 Seiten
- Preis: 69,95