Aktive Partnerschaften im Versorgungsprozess

Thorsten Kaatze, Kaufmännische Direktor und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen, im Gespräch

Trotz umfangreicher staatlicher Hilfen zur Bewältigung der Corona-Pandemie hatten die Kliniken in Deutschland wirtschaftlich auch 2021 wieder große Herausforderungen zu bewältigen. Laut Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) wird sich 2021 der Anteil der Kliniken, die rote Zahlen schreiben, verdoppeln. Wie sieht es an der Universitätsmedizin Essen aus?

Thorsten Kaatze: In 2021 verzeichnen wir ein ähnliches wirtschaftliches Ergebnis wie in 2020 – alle Universitätsklinika insgesamt werden einen Fehlbetrag von circa einer Milliarde Euro ausweisen müssen. Das ist ein Problem. Ich bin sehr dankbar, dass die Bundesregierung hier Handlungsbedarf erkannt hat. Im Koalitionsvertrag ist ja verankert, dass es für Universitätskliniken einen sogenannten Vorsorgeaufschlag geben soll, der allerdings noch verhandelt werden muss. Eventuell hat dies auf unser Ergebnis 2021 noch Auswirkungen. Die Defizite an der Universitätsmedizin sind zum großen Teil durch die COVID19-Pandemie verursacht, weil wir eine Hauptsäule in der Pandemiebewältigung sind.

Die Universitätsmedizin Essen hat sich vor fünf Jahren auf den Weg zum Smart Hospital gemacht. Wie wirkt sich das auf die wirtschaftliche Situation der Kliniken im UM-E-Verbund aus?

Thorsten Kaatze: Wir waren Vorreiter, indem wir die Digitalisierung vorangebracht und frühzeitig die EPA (Elektronische Patientenakte) flächendeckend ausgerollt haben. Das war ein Kraftakt, sowohl wirtschaftlich als auch organisatorisch, aber es zahlt sich heute aus: Unsere Pflegekräfte werden zum Beispiel bei ihren Dokumentationspflichten entlastet. Und es ist ein wichtiger Schritt, dem Pflegeengpass entgegenzuwirken. Leider können wir weiterhin einfach nicht genug Pflegekräfte gewinnen … Deshalb müssen wir die Menschen, die in der Pflege arbeiten, weitestgehend von fachfremden Arbeiten befreien, damit sie sich auf die Patientinnen und Patienten konzentrieren können. Die Digitalisierung ist dabei eine wichtige Säule. Wir hoffen deshalb sehr, dass bald für das Krankenhauszukunftsgesetz eine Anschlussfinanzierung sichergestellt ist.

Vom Smart Hospital zum Green Hospital – wie können sich aus Ihrer Sicht Krankenhäuser in Deutschland verändern, sodass sie eine ökologisch nachhaltigere Umgebung für kranke Menschen bieten und den Entwicklungen des Klimawandels entgegenwirken?

Thorsten Kaatze: Nachhaltigkeit muss aus zwei Richtungen betrachtet werden. Zum einen müssen wir uns von dem Standard, den wir heute haben, in vielen Bereichen verabschieden. Ein Beispiel: Ökostrom ist teurer als normaler Strom. Und Ökostrom wird durch den Ukraine-Krieg noch teurer werden. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir unser Nachhaltigkeitsziele über Bord werfen. Das darf nicht den Verzicht auf Ökostrom bedeuten. Auf der anderen Seite können wir auch Märkte und Lieferketten beeinflussen. Zum Beispiel indem wir unsere Lebensmittel nur noch bei nachhaltigen Unternehmen bestellen. Das steigert nebenbei auch noch die Lebensqualität unserer Mitarbeitenden und unserer Patientinnen und Patienten. Unterstützt wird dieser Ansatz seit 2021 durch unser Engagement in der Ernährungswissenschaft und Naturheilkunde.

Wird sich die Universitätsmedizin Essen durch die Optimierung oder Neugestaltung von Prozessen für mehr Nachhaltigkeit in Zukunft nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch besser aufstellen?

Thorsten Kaatze: Ich gehe fest davon aus, dass in fünf bis sechs Jahren Patientinnen und Patienten sich nicht nur aufgrund der medizinischen Qualität, sondern auch aufgrund der Nachhaltigkeit eines Standorts entscheiden, wo sie sich behandeln lassen. Deshalb ist Green Hospital genauso wie Smart Hospital nicht nur ein Innovationstreiber, sondern auch ein Marketinginstrument mit Schlagkraft. Ich freue mich sehr, dass wir eine der ersten Kliniken sind, die bei diesem Thema vorangeht und es in ganz Deutschland weiter verbreiten wird.

Das Land Nordrhein-Westfalen stärkt die baulichen Strukturen und die medizinische Forschung der Universitätskliniken: Über das von der Landesregierung auf den Weg gebrachte Konjunkturpaket für Universitätskliniken werden an der Universitätsmedizin Essen mehr als 140 Millionen Euro investiert. Wofür wird das Geld eingesetzt?

Thorsten Kaatze: 140 Millionen werden innerhalb der kommenden sechs Jahre hier am Universitätsklinikum verbaut, hinzu kommen weiter 500 Millionen, die für den Ausbau von Infrastrukturen in bestehenden Gebäuden zum Einsatz kommen. Wesentlich herauszuheben sind die neue Pathologie und Rechtsmedizin sowie ein Modulgebäude. Einer digitalen Pathologie gehört die Zukunft! Diese braucht jedoch große Ressourcen und unser jetziges Gebäude ist für moderne Konzepte viel zu klein und zu alt. Weitere große Gebäude sind aktuell in der Realisierung. Der Rohbau der neuen Kinderklinik wird bald fertiggestellt. Der Rohbau der Nuklearmedizin steht bereits, die Arbeiten an der Außenfassade und der Innenausbau beginnen in Kürze. Und für unser neues nationales Projekt im Rahmen der Tumorforschung erhält die Nuklearmedizin bald Raum. Das NTC-West, das wir gemeinsam mit der Uniklinik Köln verwirklichen werden, ermöglicht einen schnelleren Übergang von Forschungsansätzen in die Patientenversorgung. Es ist wirklich großartig, dass wir für das Projekt und den Neubau Gelder bekommen. Denn damit zeigt uns das Land, welche Wertschätzung es unserer Arbeit entgegenbringt.